Conway’s Law

Melvin E. Conway: How Do Committees Invent?

Im April 1968 veröffentlichte der Mathematiker und Physiker Melvin E.Conway im Computermagazin Datamation den Text “How Do Committees Invent”. Auf dichten vier Seiten beschreibt er die “intellektuelle Aktivität des Designs eines Systems” – d.h. der Lösung für ein Problem, eines neuen Produkts oder einer neuen Infrastruktur –  sowie allgemeingültige Prinzipien und Muster dieser Aktivität. Conway arbeitet dabei heraus: 

  1. Universelle Muster und Gesetzmäßigkeiten von Problemlösungsprozessen: Die Prinzipien und Muster von Systemdesignprozessen (auch: Problemlösungs- oder Entwicklungsprozessen) haben eine quasi universelle Gültigkeit, unabhängig vom fachlichen oder politischen Kontext der Designfrage. Ob Softwareentwickler, Gesetzgeber, Weltraumingenieure – die Gesetzmäßigkeiten ihrer Zusammenarbeit in Designorganisationen (=Teams) sind mehr oder weniger dieselben. 

Beispiel

  1. Größe und Zusammensetzung einer Designorganisation als fundamentale Designentscheidung (“Homomorphoismus”): Schon die Konstitution der sogenannten “Designorganisation”, also der Gruppe von Menschen, die mit dem Systemdesign betraut sind, ist eine Designentscheidung an sich: Denn das Ergebnis, das resultierende Systemdesign, wird die Designorganisation in allen wesentlichen Merkmalen wiederspiegeln. 

Beispiel Registermodernisierung: Die Architektur der “modernisierten Registerlandschaft” spiegelt die föderal verteilten Zuständigkeiten zwischen Bund und den eingebundenen Bundesländern des Projekts Registermodernisierung mehr oder weniger direkt wieder. Die bestehenden bzw. nicht bestehenden Kommunikationswege zwischen den Komponenten. 

  1. Spätere Umsetzungsverantwortung der Designorganisation als signifikante Designentscheidung: Wenn eine Designorganisation weiß, dass sie ihre eigenen Empfehlungen umsetzen muss, beeinflusst das ihre Arbeitsergebnisse maßgeblich.

    Beispiel Gesetzgebung: Gesetzgeber sind in der Regel nicht in die Umsetzung eines neuen Gesetzes involviert. Der mit der Gesetzesumsetzung verbundene Aufwand (z.B. für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen) bleibt oft unterschätzt oder unberücksichtigt. 

Beispiel Unternehmensberatungen: Teuer produzierten Strategiepapiere zeichnen sich
vielfach durch besonders fremdwortreiche und uneindeutige Sprache aus und enden
nicht selten in den Schubladen von Entscheidungsträgern mit perspektivischer
Umsetzungsverantwortung.

  1. Wechselwirkung von System- und Partikularinteressen: Entscheidungen, die innerhalb einer Designorganisation getroffen werden, passieren nie unvoreingenommen, sondern sind immer auch persönliche Entscheidungen der individuell Handelnden über ihre eigene Zukunft

    Beispiel Gesetzgebung und Ernennung von Amtsträgern: Das Abstimmungsverhalten von Parlamentariern orientiert sich nicht nur an ihren (politischen) Überzeugungen, sondern auch den erwarteten Auswirkungen auf ihre eigene politische Zukunft, zum Beispiel innerhalb einer Partei, bei anstehenden Wahlen.
  1. Geringe Selbstheilungskräfte von Designprozessen: Einmal in Gang gesetzt, ist die Korrekturfähigkeit von Systemdesignprozessen gering. Erste Lösungshypothesen wieder zu verwerfen, ist in der Regel zu schmerzlich und mit zu großen Verlusten (von “Gesicht”, von eigenem Kompetenzempfinden) für die Designorganisation und ihre Mitglieder verbunden.

    Beispiel OZG: Das Scheitern der OZG-Umsetzung war lange vor dem 31.12.2022 erkennbar. Dennoch ergriff niemand der vielen tausend Involvierten die Initiative, um die etablierten Strukturen und Prozesse grundsätzlich zu hinterfragen und lange vor dem Stichtag neu und besser aufzustellen. 

In Conway’s Worten “There’s never enough time to do something right, but there’s always enough time to do it over.”

  1. “Viel bringt viel”-Heuristik statt Effizienz und Wirkung: Je höher die wahrgenommene Komplexität einer Aufgabe, desto stärker der Instinkt, den Ressourcenbedarf möglichst proportional auszuweiten. Der Mehrbedarf an humanen und finanziellen Ressourcen dient dabei der Anerkennung der Bedeutung einer Aufgabe, der Legitimierung von Überforderung und der Festigung von Status. Effizienz und Wirksamkeit sind keine erstrebenswerten Ziele. 

Beispiel Software-Krise 1960er: IBM entwickelte das ehrgeizige Projekt OS/360, um ein einheitliches Betriebssystem für alle seine Mainframes zu schaffen – damals eine revolutionäre Idee. Wegen großer Herausforderungen, insbesondere bei der Umsetzung der Mehrprogrammbetrieb-Funktion, stellte IBM kurzfristig zusätzliche 1.000 Entwickler ein und gab weit mehr Geld aus als ursprünglich geplant. Deie Veröffentlichung erfolgte zusätzlich verspätet und mit erheblichen Budgetüberschreitungen (heute “Brook’s Law” genannt).


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